Wie
kommt man auf die Idee sich neue Ruder fürs Boot zu bauen solange
die alten noch passabel ausschauen?
Leider
eben nur auf den Ersten Blick ok sind. Bei genauerer Betrachtung
sieht die Sache nicht mehr so gut aus. Bereits vor mehr als 2 Jahren,
als das Boot in den Tuamotus an Land stand, bemerkte ich sehr starke
Ablösungen und Kraterbildungen am 50mm Voll Aluminium Schaft.
Auch
wenn da an der Oberfläche 1, 2 oder sogar 3 mm fehlen, so hat das
auf die Stabilität des Gebildes keinen wirklich gravierenden
Einfluss, zumal sich diese Materialreduktion in einem Bereich
abspielt wo die einwirkenden Kräfte eher schwach sind. Unangenehmer
war schon dass die kleinen Materialteile das untere Kunststoff Lager
im Laufe der Zeit blockierten, das die feinen Teile zwischen Lager
und Schaft eindringen und dort tiefe Riefen und Kratzer verursachten.
Zum Schluss musste ich etwa alle 2 Monate die Ruder ausbauen weil sie
fast vollständig blockiert waren und sich nicht mehr bewegen ließen.
Nun vom
Hersteller gibt es die Dinge schon lange nicht mehr. In Neuseeland,
dem Land der Segel Enthusiasten wo ich letzten Winter verbrachte,
gibt es jede Menge Firmen die so was ohne weiteres neu bauen können.
Ich hatte auch Angebote – das billigste war bei 4.000,-- , das ist
sehr weit über meinem Budget. Ein Kanadischer Katamaran Segler hat
sich neue bauen lassen mit einem Angebot in ähnlicher Höhe und
seine endgültigen Kosten lagen bei knapp 10.000,--.
Also
einziger Ausweg – neue Ruder selber bauen.
Ich will
an den neuen Rudern so wenig wie möglich verändern, sie sollen aber
trotzdem wirksamer und leichter als die Alten werden. Als
Schaftmaterial wähle ich wie bei den bestehenden Rudern Aluminium,
warum das verwendet wurde weiß ich nicht, aber andererseits haben
die Dinger jetzt 25 Jahre gehalten, also kann es nicht so falsch
sein. Den Schaft besorge ich mir in Whangerei bei einer Spezialfirma
die hauptsächlich Aluminiumboote bauen und Salzwasserbeständiges
Aluminium haben und lasse dort auch gleich die Alu
Versteifungsplatten dran schweißen. Bei einer Bootsbaufirma bekomme
ich zu einem günstigen Preis einige Reststücke 80kg/m3
Hartschaumplatten die normalerweise über 300,- je Platte kosten
würde. Dann brauche ich natürlich noch die Glasfasermatten,
verschiedenes Füllmaterial (Microballoons, …..) und Epoxid Harz,
die sind aber sowieso immer an Bord.
In
Gedanken bin ich auf einer schönen Palmeninsel, bei einem schattigen
Unterstand und dort will ich die neuen Ruder bauen.
Der
tatsächliche Bauplatz ist dann in Savusavu auf der Terrasse der
Marina und teilweise auf einem alten gebrechlichen Gestell mit dem
manchmal Boote an Land gezogen werden. Immerhin sind Palmen in der
Nähe und es gibt sogar eine altersschwache Bananenstaude.
Die
Hartschaumplatten sind alle 3cm geschlitzt was zwar wunderbar für
den Bootsbau ist da man damit schöne Rundungen machen kann, für
mich bedeutet es erst mal einiges mehr an Arbeit. Alle Schlitze
müssen mit Epoxi Spachtelmasse ausgefüllt werden, da das Schleifen
auf Grund der beweglichen einzelnen Würfel nicht möglich ist. Nach
dem Aushärten der Masse ist es ein wesentliches mehr an Arbeit, weil
die entstandenen steinharten Epoxistege viel schwerer schleifbar
sind.
Ich habe
mich dafür entschieden Halbschalen zu bauen und diese dann auf den
Schaft mit den Platten zu kleben (mit Epoxi) und danach zu
laminieren. Es gibt unzählige Varianten wie man Ruder bauen kann,
ich weiß nicht welche die Beste ist. Ich muss mich danach richten
wie ich die Ruder mit den vorhandenen Mitteln, Materialien und
Werkzeugen am Besten bauen kann.
Bevor
ich jedoch mit der wirklichen Arbeit anfange, heißt es eine
Schablone anzufertigen nach der ich die Form schleifen kann. Beim Vermessen der alten Ruder stelle ich fest dass praktisch keine
Vorbalancierung vorhanden ist. Das bedeutet dass keine Ruderfläche
vor der Längsachse ist, sondern die ganze Fläche befindet sich
hinter dem Schaft. Dadurch wirken viel größere Kräfte auf die
Pinne, was wiederum bedeutet der Autopilot (oder ganz selten auch
ich) muss schwerer arbeiten, also mehr Stromverbrauch (Autopilot), schnellerer
Verschleiß (ich). Ich werde versuchen den Schaft so ins Ruderblatt zu
bauen dass in etwa 20 Prozent der Gesamtfläche vor der Schaftachse
sind. Die zweite Änderung die ich vornehme ist die Dicke des
Ruderblattes. Beim Original beträgt diese fast 9 cm, ich werde sie
so schmal wie möglich machen. Bei einem Schaftdurchmesser von 5cm
komme ich schließlich auf knapp unter 6 cm Dicke des neuen
Ruderblattes als kleinstes baubares Maß. Das entspricht immerhin
einer Reduktion um ein Drittel, also rund 30 Prozent weniger
Widerstand der neuen Ruderblätter im Wasser.
Am
ersten wirklichen Arbeitstag kommt dann Jeff vorbei. Er war früher
im Außendienst für die Firma West System, dem weltweit bekanntesten
Hersteller von Bootsbau Epoxid und Zubehör, hat mehrere Boote und
Ruder gebaut und es beginnen eifrige Diskussionen über die Form und
technische Details von Rudern, was mich sehr erfolgreich vom Arbeiten
abhält. Er beeindruckt mich mit allen möglichen Formeln über
Effektivität und Auftrieb usw. und als wir seine Formeln mit meinen
Skizzen und Schablonen vergleichen, stellen wir fest dass ich mit
allen Massen innerhalb der Toleranzgrenzen liege.
Also
kein Grund mehr vorhanden meiner Arbeitswut Einhalt zu gebieten und
so schleife und fräse ich die nächsten Tage bis die Form stimmt und
alle Ausnehmungen für Schaft und Versteifungsplatten genau passen.
Beim
Laminieren hilft mir Gerhard, ein Österreichischer Einhandsegler aus
dem Waldviertel. Er hat jetzt 21 neue Zähne hier in Fiji machen
lassen und zeigt sie gerne und stolz her. Sind ja auch schön
geworden die neuen Beisserchen und das um nur etwa 15 Prozent der
Kosten von Österreich.
Mit nur 2 Händen ist es einfach nicht zu
schaffen, da ich alle Lagen des Glasfasergewebes nass-in-nass
verlegen will. Dadurch erhalten die Matten eine chemische und nicht
nur eine mechanische Verbindung. Als letzte Schritte nach dem
Schneiden der ausgehärteten Matten dann wieder schleifen, spachteln,
schleifen, spachteln,.... irgendwann sind die Ruder dann endlich
passgenau und glatt wie ein Kinderpopo.
Am
oberen Ende des Schaftes muss noch aus dem Rundmaterial ein Viereck
werden damit die Pinne dort befestigt werden kann, ein paar Löcher
für die Befestigungsschrauben gebohrt, was wegen der nötigen
Präzision gar nicht so einfach unter den gegebenen
Arbeitsbedingungen ist, und dann sieht alles sehr gut aus.
Also
noch das rote Antifouling drauf das ich damals nach meinem Malheur
auf der Fahrt nach Galapagos (siehe alten Blog) von einem Fischer
gekauft habe, eine Wrapfolie herumgewickelt als Transportschutz für
den Einbau, und mit Hilfe von 2 Freunden sind 2 Wochen nach
Arbeitsbeginn die neuen Ruder im Schiff.
Was ich
bei einer ersten Testfahrt im Hafengelände sofort bemerke ist dass
bei Rückwärtsfahrt wesentlich weniger Druck auf die Pinne kommt.
Inzwischen habe ich schon wieder einige hundert Meilen geloggt und
bin mit dem Resultat meiner Arbeit sehr zufrieden.
Das
Gewicht eines der Ruder beträgt jetzt knapp 14 kg, das Alte Ruder
wog 27,8 kg also einer Halbierung des Gewichtes, bei wie ich mir ohne
weiteres zu behaupten getraue höherer Festigkeit als die Originale.
Die Gesamtkosten aller Materialien betrugen ca. 600,- Euro.
Das war
heute vielleicht ein wenig sehr technisch und nichts von Abenteuern,
Segeln Begegnungen und dergleichen.
Weil ich
immer am Optimieren bin denke ich natürlich darüber nach was wäre
wenn ich die Ruder noch mal bauen würde, was würde ich ändern? Und
klar habe ich schon wieder ein paar Details im Kopf..... aber ganz
ehrlich, ich hoffe dass ich die Ruder nie mehr wieder bauen muss,
höchstens als Auftragsarbeit für ein anderes Boot.
Hochinteressant ! Da hast du aber auf der kleinen Insel einen guten Internetzugang . Weiterhin gute Fahrt. Gruß aus dem nassen München
AntwortenLöschenHallo mein freund,
AntwortenLöschensind sehr beeindrukt- eh- wie immer von deiner schreibkunst .sehr interessant wie man mit geringen mitteln eine so toller Leistung voll bringt.diese Form und die Einsparung beim Gewicht wirst du beim segeln gut merken.
schreib mir mal wies dir geht.
Lg.aus faistenau
Mike