Mittwoch, 31. August 2011

Marquesas - Tuamotus

Von den Marquesas zu den Tuamotus, oder genauer gesagt von Taiohae auf Nuku Hiva ins Raroia Atoll auf den Tuamotus.
Der größte Unterschied ist schon in der Optik der Inseln. Die Marquesas sind mächtige, hoch und steil aufragende Gebirgsmassive aus Lava Gestein, also vulkanischen Ursprungs. Wild bewachsen, fruchtbar, tropischer Dschungel mit allen möglichen Obst und Gemüse. Dagegen die Tuamotus sind versunkene Vulkane von denen nur noch der äußere Ring in Form von flachen Korallen Inselchen aus dem Wasser ragt. Die Marquesas sind bei der Annäherung mit dem Schiff bereits aus bis zu 100 Kilometer Entfernung sichtbar und man hat das Gefühl man segelt und segelt und kommt nicht näher. Dagegen die Tuamotus sieht man erst sehr spät, frühestens wenn man bereits auf 7 Meilen dran ist. Diese sogenannten Ring Atolle, im Fall von Raroia ist es etwa 21 Seemeilen lang und 6 Seemeilen breit, haben eine Schwierigkeit in sich – den Pass.
Der Pass ist eine meist schmale Schneise durch den Korallengürtel durch den man ins Innere des Atolls gelangen kann. Hier in Französisch Polynesien beträgt die Tide (Höhenunterschied des Wasserstandes zwischen Ebbe und Flut) ca. 1 Meter. Das bedeutet dass die riesigen Wassermassen natürlich auch nur durch den Pass Einlaufen oder Auslaufen können. Daraus ergeben sich enorme Strömungen die ein Durchfahren zum falschen Zeitpunkt nicht nur unmöglich, sondern lebensgefährlich machen. Es gibt Atolle da erreicht die Strömung 12 Knoten und mehr als 2 Meter extrem kurzer steiler Welle. Einzig beim sogenannten slackwater (Stillwasser) oder kurz davor oder danach ist es ungefährlich durch zu fahren. Wenn man also zur falschen Zeit ankommt heißt es entweder warten oder weiter segeln zum nächsten Atoll und vielleicht geht's dort. Das slackwater ist meist relativ gut erkennbar an der Wellenbildung im Kanal. Ein findiger Segler, Gram Schweikert ein gelernter Naval Architect/Marine Engineer vom Boot S/V Visions of Johanna, hat sich nun die Mühe gemacht und ein kleines Programm geschrieben mit dessen Hilfe man die idealen Zeiten errechnen kann, den sogenannten Guestimator. Frei als download erhältlich, aber er freut sich natürlich über jede Spende mit der er sich ein Bierchen kaufen kann. Das Wort Guestimator kommt vom englischen 'guess', also erraten, vermuten, schätzen. Die Zeit des slackwaters ist leider keine Konstante sondern verschiebt sich abhängig von der Wellenhöhe, der Wellenrichtung, der Windgeschwindigkeit aus einer bestimmten Richtung, wie viele Tage der Wind bei welcher Stärke geblasen hat, wie viele Pässe ein Atoll hat und noch ein paar andere Kleinigkeiten. Es gibt also einiges zu beachten vor der Durchfahrt in ein Atoll. Ich habe schon vor meiner Atlantiküberquerung in Gran Canaria Segler getroffen die, damals noch mit Sextant, in kein einziges Atoll eingelaufen sind aus Angst davor zur falschen Zeit da zu sein und dann am Rande des Kanals zu enden. Damals konnte ich das nicht verstehen, kaum glauben, jetzt weiß ich wovon geredet wurde.
Warum das Raroia Atoll als erstes Ziel? Vom Kurs her ist es nicht besonders günstig aber es hat eine andere Besonderheit. Vor ca. 60 Jahren ist Thor Heyerdahl dort mit seiner Kon Tiki aufgeschlagen. Er hat versucht zu beweisen dass Polynesien von Peru in Süd Amerika, aus besiedelt wurde. Dazu hat er ein Floss aus Balsa Baumstämmen gebaut und sich damit 101 Tage lang über den Pazifik treiben lassen, bevor er auf Raroia am östlichen Außenriff aufgeschlagen ist. Irgendwie hat sein Floss das überstanden und die ganze Mannschaft ist heil ins Innere gekommen. Wie man sieht geht es auch ohne Pass. Damit war mehr oder weniger erwiesen dass Polynesien von Süd Amerika aus besiedelt wurde und Thor Heyerdahl ein Held. Erst viel später stellte sich heraus dass damit nur bewiesen wurde dass die Strömung von Süd Amerika zuerst nach Norden und später nach Westen läuft. Das haben aber auch schon die alten Chinesen im 15. Jahrhundert gewusst. In Wirklichkeit wurde der Pazifische Raum von Süd Ost Asien aus besiedelt.
Trotzdem, irgendwo muss man anfangen mit den Atollen und warum nicht Raroia. Die Überfahrt verläuft nach Plan, das Wetter hält sich ziemlich genau an die Vorhersage, einzig der 222 Meter lange Frachter Cap Cleveland macht mir am letzten Abend vor der Ankunft Sorgen. Mein AIS Alarm geht los und als ich nachschaue zeigt mir das Gerate direkten Kollisionskurs. Es ist schon äußerst ungewöhnlich hier überhaupt ein Schiff zu treffen, dann muss es nicht auch noch Kollisionskurs sein. Ich funke also wieder mal und bitte den Diensthabenden doch seinen Kurs um 10 Grad zu ändern bis er an mir vorüber ist. Immer wieder bin ich erstaunt wie Diskussionslos meiner freundlichen Bitte nachgekommen wird. So endet auch diese Begegnung ohne Probleme und ich muss sagen das AIS hat sich bis jetzt als ganz ausgezeichnete Investition ins Schiff heraus gestellt. Die letzte Nacht segle ich nur mit 3.Reff und ein wenig Vorsegel um zur richtigen Zeit (nicht zu früh) anzukommen. Ohne Warterei geht's es direkt durch den Kanal. Ich habe 2,5 Knoten Strömung mit mir, der Guestimator hat entweder nicht gestimmt für dieses Atoll oder ich habe falsche Eingaben gemacht. In dem Fall ist es nicht schlimm, da es einzig darauf ankommt das Schiff steuerbar zu halten und ich mit einlaufender Strömung hinein segle. Danach segle ich gleich weiter ans Sued-Ost Ende des Atolls. Hier gibt es keine Seekarten mehr. Das Innere der Atolle ist am Computer nur graue Fläche ohne irgendwelche eingezeichnete Hindernisse. Auf der guten alten Papierseekarte eine schöne weiße Fläche, abgesehen von ein paar Kaffeeflecken, nach denen man besser nicht navigieren sollte. Wieder mal heißt es schauen, schauen, schauen. Es gibt hier jede Menge Korallenköpfe die senkrecht aus dem Boden wachsen bis kurz unter die Wasseroberfläche. Bei hoch stehender Sonne sind sie leicht und gut erkennbar. Wehe man fährt aber gegen die Sonne, keine Chance auch nur irgendetwas zu sehen. Und wenn man so einen etwa 10 – 50 Meter im Durchmesser großen Korallenblock trifft dann Gute Nacht.

Dienstag, 16. August 2011

Nuku Hiva

14. Juli, der Französische Nationalfeiertag wird natürlich auch in Französisch Polynesien gefeiert, gibt schließlich wieder einen freien Tag. Tagsüber finden verschiedene Wettkämpfe, wie Rudern Petanque (Boccia), Volleyball und ähnliches statt. Und am Abend gibt es eine Veranstaltung mit Tänzen der Insel. Und ich muss sagen ich war enttäuscht. Wahrscheinlich war es nur meine eigene hochgesteckte, von Fernseh- und anderen Berichten angekurbelte Erwartung, die mich das Fest als eine Enttäuschung erleben ließ. Es wird immer und überall von der überschäumenden Lebensfreude berichtet. Die habe ich schmerzlich vermisst. An den Tischen hauptsächlich betrunkene Männer (wie bei uns), von der Tanzgruppe 2 oder 3 Mädchen denen man ansehen konnte dass sie gerne machen was sie machen. Der Rest erweckte den Eindruck dass sie halt mitmachen weil es so üblich ist, oder weil die Mama es gesagt hat, oder was weiß ich. Aber sicher nicht weil sie es gerne tun. Man muss aber zumindest sagen, es war authentisch und keiner hat sich wegen uns 3 Touristen verstellt. Und es war trotzdem schön, nur eben wie schon Eingangs erwähnt – die Erwartungshaltung passte mit dem Gesehenen nicht zusammen.

Viele der Einwohner auf den Marquesas haben Elefanttitis (Filariose) und angeblich wird sie durch irgendein Insekt übertragen. Wir erfahren dass es dafür eine kostenlose Impfung gibt und wollen die Gelegenheit nutzen und gehen ins Hospital. Die nette Dame an der Rezeption schickt uns zu einem Kiosk in der Nähe. Etwas verwundert machen wir uns auf den Weg und zwischen Kugelschreibern, Schulheften und anderem Kleinkram holt die Verkäuferin eine Packung Tabletten hervor. Danach musste jeder auf die Waage (ich wiege noch immer gleich wenig), und wir bekamen unsere Pillenration. Dazu noch eine andere Pille, wo ich nicht mehr weiß wozu die gut war, aber wir mussten sie unbedingt auch mitnehmen. Am Abend war also Pillenparty angesagt. Wo die Kids sich heute ihr Extasy reinschmeissen, nehmen wir die gesunden Pillen. Vorsichtshalber haben wir aber anstatt sie mit Wasser zu schlucken dann doch auf den guten Abuelo (Rum) zurück gegriffen. Es ist immer besser das unbekannte Zeugs zu desinfizieren. Wie uns gesagt wurde soll einem von den Tabletten übel werden, wir waren wohlauf und ohne Beschwerden.

Ich habe gerade 2 Tage lang das Großsegel repariert. War ziemlich arg die letzte kurze Fahrt, nur 15 Meilen aber die hatten es in sich. Bis 30 Knoten Wind, und ich hatte viel zu viel Segel gesetzt. Da hat es mir beide Rutscher des Kopfbeschlag (ganz oben, doppelt gelagert) des Segels ausgerissen, darauf am Vorliek das Führungsseil im Bereich des Ersten Rutschers, danach den Beschlag für die Erste Segellatte und dann noch ein paar Kleinigkeiten damit mir ja nicht langweilig wird.
Meine Steirischen Freunde haben mir dabei fest geholfen denn ein Großteil musste per Hand genäht werden weil der Stoff so dick und steif ist (8-lagiger Segelstoff + Halteband) das packt die beste Nähmaschine nicht mehr.

Heute haben die Beiden bei ihrem Schiff etwas bei der Windfahnen Steueranlage korrigieren wollen und da stellt sich heraus dass die Lagerwelle des extra Ruderblattes dafür, fast vollständig weg gescheuert ist. Also haben wir heute angefangen bei ihnen am Boot ein neues Hilfsruder für die Windfahnensteuerung zu bauen. Komplett von a-z mit Kunststofflagern, Aluwelle, Ruderblatt usw... Alles von Hand gefertigt aus Teilen die man halt so am Boot herumliegen hat.

Danach ging es wieder mal in die Zivilisation, in die Hauptstadt von Nuku Hiva, nach Taiohae. Einkaufen war angesagt, schließlich soll es danach weiter gehen zu den Tuamotus, und was man so hört ist die Versorgungslage dort noch schlechter als auf den Marquesas.

Am Samstag vor der Abfahrt war dann großer Markttag. Zufällig fragen wir am Freitag bei einem der Marktstände ob sie nie ein größeres Angebot als die paar verrunzelten Dinge haben. Freundlich lächelnd erklärt uns die (wie alle anderen auch) übergewichtige Dame dass wir um 04:00 (in Worten – vier) Uhr morgens kommen müssen, da gibt es jede Menge, ganz frisch. Wir sind nicht sicher ob sie uns verscheissern will oder ob das ernst gemeint ist. Vorsichtshalber machen wir uns um 05:00 auf den Weg und tatsächlich gibt es jede Menge Gemüse frisch aus dem Garten eines Bauern.