Samstag, 31. März 2012

Marquesas

Die Fische wollen wieder mal überhaupt nicht beißen. Es ist ja auch kein Wunder bei der langsamen Fahrt. Da können sie in Ruhe zum Köder schwimmen und schauen was denn heute dran hängt und natürlich sehen sie dass das nur ein Gummiteil ist und kein schmackhafter Kalamari der da versucht hinter der CHI her zu schwimmen. Einzig die dunkel gefiederten Seemöwen interessieren sich für die Köder. Immer wieder stürzen sie sich auf das Gummiteil bis sie dann endlich erfolgreich sind. Wieder mal hat es einer geschafft sich im 3-fach Haken mit seinem Brustgefieder einzuhängen und wird nun hinter dem Boot hergezogen. Ich kurble den armen Kerl also zum Boot da erhebt er sich wie Phönix aus dem Wasser und flattert wie ein Drachen an der Schnur hinter dem Boot. Ich kurble wie ein Wilder damit ich ihn befreien kann, doch der arme Kerl ist völlig panisch und versucht mit aller Kraft zu fliehen. Als ich ihn dann schon nahe am Boot habe versucht er seitlich auszubrechen und wickelt sich selbst an der Angelleine um die 7 Meter lange SSB Antenne. Wie wild schlägt er in Todesangst um sich, versucht mit seinem langen Schnabel alle Annäherungsversuche abzuwehren und ich weiß mir nicht anders zu helfen als dass ich die Angelschnur durchschneide und der arme Vogel samt Köder an der Brust und ein paar Meter Leine davonfliegt.

Am nächsten Morgen kommt mein letzter Köder an die Leine und es wird der bisher größte Fang meines Lebens. Ein MahiMahi, auch Dorade oder Dolfin genannt, schnappt zu und nach fast einer Stunde Kampf als es bereits finster wird habe ich ihn an Bord. Und er ist riesig, genau 140 cm vom Auge bis Mitte der Schwanzflosse, ca. 25kg schwer. Das bedeutet Überstunden machen!! Bis alles geschuppt, zerlegt, filetiert, portioniert, verpackt, eingekühlt und danach das ganze Massaker im Cockpit wieder sauberst gereinigt ist und die Blutspritzer von überall entfernt sind, das dauert noch mal. Das Abendessen hat lange warten müssen dafür wird es jetzt um so besser, fangfrischer MahiMahi, ein absoluter Genuss.

Auf den Marquesas angekommen verziehen wir uns nach dem unsere Vorräte wieder aufgefüllt sind in die Daniels Bay, oder Baie de Taioa neben der kleinen Ansiedlung Hakaui am Südwest Ende von Nuku Hiva. Eine der wildesten und schönsten Buchten die ich je gesehen habe. Rundherum eingeschlossen von bis zu 800 Meter hohen senkrecht aufragenden Felswänden und am Westufer ein etwa 150 Meter langer feiner Sandstrand. Wenn man nicht weiß dass es hier eine Zufahrt zum Meer gibt könnte man glauben man ist in einem See.
Als wir am nächsten Tag vom beeindruckend romantischen Wasserfall zurückkehren, lernen wir Alexandre und seine Frau Oscarina kennen. Die beiden betreiben hier eine Farm und bauen neben ihrem kleinen Häuschen eine Unmenge von Obst und Gemüse an. Schnell werden wir uns handelseinig und für eine Flasche Rum wechselt eine ganze Scheibtruhe voll Obst und Gemüse den Besitzer. Eine Staude Bananen, 2 riesige Kürbisse, 4 große Papayas, 5 Avocados, etwa 40 Limonen, 2 Gurken, würziger wilder Salat der neben dem Bach wächst, Schnittlauch, 15 Mangos, eine Handvoll kleiner roter scharfer Chilis, Ingwer Wurzen, und bestimmt habe ich noch einiges vergessen. Wie man sieht kann man noch günstig einkaufen. Wir bringen den Beiden am nächsten Tag als wir die Scheibtruhe retournieren, noch selbstgebackenes Brot und Wein vorbei worauf sie uns gleich zum Essen einladen. Brotfrucht als ganzer am Grill gegart, dazu ein leckeres Zicklein, Fisch in Kokos Sauce, Taro und ein paar Kleinigkeiten wo ich keine Ahnung habe was das war.
Was soll man bei so viel Gastfreundschaft machen? Wir wissen es nicht, einfach nur freuen dass es das noch gibt.

Nach einer Woche segeln wir in den Norden, in die Anaho Bay. Eine weite offene Bucht mit dem schönsten Sandstrand der Marquesas.

Bis bald
Euer Chico

Donnerstag, 22. März 2012

Takaroa 2

Das wichtigste im Moment ist die Reparatur des Autopiloten. Ohne wird die Segelei zur Qual bei kleiner Mannschaft. Die Mechanik ist schnell gecheckt, da funktioniert alles. Das Problem ist in der Elektronik versteckt. Ja und dann sitze ich da, inmitten eines wunderschönen Südsee Atolls, am Tisch vor mir der zerlegte Autopilot mit all seinen elektronischen Bauelementen wie Kondensatoren, Transistoren, Widerstände, Dioden und was weiß ich noch alles. Hier gibt es niemand der helfen kann. Am Österreicher Funknetz auf 8150MHz treffen wir uns fast jeden Morgen um 07:30 Ortszeit und erzählen uns den neuesten Tratsch und Klatsch und klar wenn einer ein Problem hat versuchen die anderen zu helfen, aber bei meinem Problem hilft das natürlich auch nicht richtig weiter. Viel mehr als jedes kleine Einzelteil genau anzuschauen und zu prüfen ob irgendwelche Abnutzungserscheinungen, Brandspuren (Überhitzung) oder ähnliches sichtbar ist können mir die anderen aber auch nicht raten.
Und genau das mache ich auch. Jedes der hunderten Einzelteile wird sauberst gereinigt und mit 2 Lupen untersucht und tatsächlich finde ich einen durchgebrannten Kondensator.Die Freude ist im ersten Moment riesig, aber dann kommt die Ernüchterung – wo bekomme ich einen neuen Kondensator her?? Die Ersatzteil Box mit elektrischen Geräten muss her und ich zerlege jedes auf der Suche nach einem passenden Ersatzteil. Und tatsächlich, in einem alten Anzeigegerät finde ich einen Kondensator mit den gleichen Technischen Daten. Und als ich die Reparatur schon als erfolgreich abgeschlossen betrachten will kommt mir noch so ein kleiner Transistor unter bei dem sich die Lötstelle von der Platine gelöst hat. Danach wird getestet und der Autopilot erwacht nach 3 Tagen Arbeit wieder zu neuem Leben !!! Riesen Freude Freunde, das könnt ihr mir glauben.

Mitten im Zentrum von Teavaroa, der größten Siedlung auf Takaroa, gibt es einen kleinen Laden. Davor im Garten ähnlichen Eingangsbereich sitzen 4 wohl beleibte Polynesierinnen und spielen Karten, daneben sitzt ein Weißer, weißhaariger Mann und schaut zu. Es ist Manfred Ennemoser aus Aigen bei Salzburg. Er lebt seit 30 Jahren hier auf Takaroa, war bis vor kurzem Besitzer des Geschäftes das er vor 2 Jahren an seine Tochter übergeben hat und genießt seither die Ruhe und Beschaulichkeit des Südsee Atolls. So oder so ähnlich würde es in einem Werbeprospekt stehen. Zu mir hat er gesagt, weißt Ruhe werde ich noch genug haben wenn ich tot bin. Hier ist einfach so was von überhaupt nix los, nach ein paar Monaten muss ich immer weg. Dann geh ich für eine Weile nach Papeete/Tahiti und danach eine Zeitlang nach Österreich. Sonst wäre es so fad, nicht zum aushalten. Manfred ist mit 18 von zu Hause weg und der Französischen Fremdenlegion beigetreten – Grund, nach 15 Jahren Mitgliedschaft ist man schon Pensionsberechtigt. Als er 36 war und in der ganzen Welt herum gekommen ist und bei vielen Einsätzen sein Leben riskierte, hat er die Legion wieder verlassen und sich in Takaroa mit einer schönen Südsee Insulanerin niedergelassen. Hat seine wohlverdiente(???) Pension kassiert und nebenbei als Spass und als Beschäftigungstherapie das Geschäft eröffnet. Auf alle Fälle ein interessanter Typ.

Drinnen sind wir im Atoll, aber irgendwann müssen wir wieder raus fahren. Ich versuche so viele Informationen wie möglich zu bekommen um zum richtigen Zeitpunkt beim Pass zu sein. Je mehr ich frage, um so verwirrender wird die ganze Sache. Jeder gibt mir andere Ratschläge. Ich muss ganz links fahren, ich muss ganz rechts fahren, einer meint das Beste ist mitten durch die Strudel durch, der Nächste sagt dass die Gezeiten in der Lagune genau umgekehrt zu den Gezeiten draußen sind, da das Wasser nicht schnell genug raus oder rein rinnen kann, uns so weiter und so fort. Ein unterhaltsames Verwirrspiel und es wäre sicher sehr lustig wenn nicht gerade ich davon betroffen wäre.
2 Tage bevor wir weiter wollen lerne ich den Chef der winzigen Wetterstation kennen. Auf meine Frage wann denn ein günstiger Zeitpunkt ist, meint er heute von 08:30 bis 08:45 und dann soll ich einfach jeden Tag eine halbe Stunde dazu geben und das passt dann schon. Das ist doch endlich mal was konkretes. Am Donnerstag stehe ich dann pünktlich um 09:30 vor der Passausfahrt, und tatsächlich ist das Wasser sehr ruhig. Dafür hat sich ein anderes Hindernis eingefunden. Der Kopraschoner ist eingetroffen und blockiert den Großteil des Passes. Es wird emsig Auf- und Abgeladen und mehrere kleine Boote wuseln um den Frachter. Da bleibt kaum mehr Platz für meinen Katamaran um da noch vorbeizukommen. Ich hole meine mit einer Spraydosen betriebene Hupe und will die anderen auf mich aufmerksam machen, doch kein Laut verlässt das Instrument. Die Spraydose ist leer. Also schnell die Blasetute gesucht und drauf los gepustet was das Zeug hergibt. Es bleiben nur wenige Zentimeter auf beiden Seiten, doch ich komme vorbei und bald bin ich wieder im offenen Meer. Segel gesetzt und Kurs Marquesas eingeschlagen.
Es wird eine langsame Fahrt, die Strömung hat gute 1,5 Knoten, leider genau von dort wo ich hin will. Und immer hart am Wind. So werden aus den geplanten 530 Seemeilen mehr als 600 doch wichtig ist das Wetter. Und all die Tage ist es wunderschön, mit nur leichter Welle und wegen des relativ geringen Windes ist es auch egal ob die Fahrt 1 oder 2 Tage länger als geplant dauert. Der Autopilot arbeitet wieder wie am Schnürchen, seine Reaktionen sind allerdings sehr langsam und ich kann ihn nicht zu einer etwas schnelleren Arbeitsweise überreden.

Bis bald Euer
Chico

Donnerstag, 1. März 2012

Takaroa

 

12 Knoten Wind aus 110 Grad also Ost-Süd-Ost , nur etwa 1 Meter Welle, perfekte Bedingungen für unseren Kurs nach Takaroa. Immer wieder stelle ich fest dass segeln so viel einfacher sein kann als noch vor langer Zeit, damals in Kroatien, als wir bei jedem Wind und Wetter raus sind, genau dorthin wo wir uns am Vorabend ausgedacht hatten dass es eine schöne Kneipe gibt. Egal welche Bedingungen herrschten wurde das jeweilige Charterboot dorthin geknüppelt. Wenn es nicht sein muss, segle ich jetzt nur mehr wenn das Wetter passt und der Genuss ist um ein vielfaches höher. Vergleichbar mit Tiefschneefahren bei perfektem, unverspurten Schnee oder eine wilde, eisige Buckelpiste runter, an deren Ende alle Glieder und Muskeln schmerzen.
Kurz nach der Hälfte des Weges, 2 Minuten nach dem ich meine Mitternachtswache begonnen habe, ein schrilles Pfeifen vom Autopiloten. Er will nicht mehr. Das heißt also die restliche Strecke muss von Hand gesteuert werden. Auf Grund der nahezu perfekten Wetterbedingungen nicht allzu schlimm, man kann halt nicht mehr so einfach aufs Häusl, oder was zum Essen machen oder andere essentielle Dinge tun.
Ich kann den kleinen Ankerplatz neben der Passeinfahrt nicht finden, also heißt es konzentrieren auf den Pass. Ich fahre nahe heran, es sieht nicht schlecht aus, keine allzu großen Wellen, keine Strömung die aussieht wie ein Wildbach aber sie ist doch sehr stark sichtbar. Besser noch eine Stunde gewartet und vor der Einfahrt auf und ab gesegelt, vielleicht beißt ja noch ein leckerer Thunfisch an. Dann sehe ich einen Einheimischen der mit einem kleinen Boot durch den Pass fährt. Meine Kalkulation mit 12:40 Uhr als Durchfahrtszeit scheint also ganz gut zu sein.
Der Pass hier gehört zum Extremsten was die Tuamotus zu bieten haben. 1 Seemeile lang und nur 75 Meter breit und am Ende ein 90 Grad Knick. Also Motor gestartet, Segel runter und rein geht’s. Erst wenn man drinnen ist sieht man die Bedingungen wie sie wirklich sind. Das Wasser jagt vorbei, kleine Wirbel und immer sind die rasiermesserscharfen Korallenwände die die Begrenzung der Durchfahrt bilden. Langsam geht’s voran, nur 2,6 Knoten schaffe ich bei der Gegenströmung. Am Ende dann die gelb-schwarze Markierung die den 90 Grad Knick anzeigt. Und hier steigt der Grund von 18 Meter Tiefe auf 3,4 Meter an. Die gesamten Wassermassen müssen über diesen flachen, engen Weg und beschleunigen hier auf bis zu 9,5 Knoten. Zusätzlich bilden sich auf diesem flachen Teilstück 3 starke Wirbel. Der Motor läuft auf Vollgas und ich versuche den ersten Wirbel ganz außen, knapp an der Riffkante zu nehmen. Das geht gut, er dreht mich nur um 30 Grad nach innen, schon bin ich vorbei, leider haargenau (bixmitten) vor dem zweiten Wirbel. Und hier gibt es kein Entrinnen. Die Pinne festgehalten und hinein. Das Boot wird auf die Seite gedrückt wie ein Spielball, zum Glück zur Mitte, dann um 60-70 Grad nach außen gedreht und ich sehe uns schon auf den Korallen sitzen. Im wahrlich allerletzten Moment kann der Motor genügend Schub aufs Wasser übertragen um uns nur um Millimeter an den Korallenfelsen vorbei zu bringen. Ein Auge gleitet schnell über den Speedometer der nur mehr 0,9 Knoten anzeigt, ich stehe also fast bei Vollgas oder anders gesagt mindestens 5 Knoten Gegenströmung. Mit jedem Meter den ich vorwärts komme wird sie schwächer und dann wird es still. Das Tosen des Wassers hat sich beruhigt, wir sind in der Lagune. Die Segel werden wieder gesetzt und 2 Stunden später fällt der Anker auf 6 Meter Tiefe ins kristallklare Wasser.
Es ist nicht leicht für Adrenalin Junkies heutzutage etwas zu finden wo man noch Pionier sein kann. Etwas das keiner gemacht hat, einen neuen Pfad. Wir alle bewundern und sind eifersüchtig auf die Befriedigung die sie in diesem Momenten empfinden. Nun stellt euch meine Gefühle vor als ich im Nachhinein von einem der Locals erfahre, dass ich der Erste, der Pionier in diesem Atoll bin.

Es gibt hier keinen Tourismus. Die Einheimischen leben entweder von Kopra (getrocknete Kokosnüsse die hauptsächlich in der kosmetischen Industrie Verwendung finden), vom Fischfang, oder was auch sehr populär ist, einfach nichts zu tun.

Am nächsten Tag kommt Besuch. Ein knallrotes Kanu nähert sich vorsichtig, Andi mit seinem 3 jährigen Sohn. In seinem einfachen Französisch erläutert er uns dass wir das erste Segelboot sind das sich durch den Pass getraut hat. Alle anderen ankern entweder außen vor dem Pass oder gehen an die kurze Betonpier am Anfang des Passes.. Ich kann es nicht glauben, doch am nächsten Tag bekommen wir sozusagen die offizielle Bestätigung. Ich treffe die Frau Bürgermeister, und sie hat ebenfalls noch nie ein Segelboot in der Lagune gesehen. Am Abend lädt sie uns zu einem Essen mit ihren Gemeindearbeitern ein. Am Nordende der Lagune, wo wir ankern, soll ein „Freizeitzentrum“ für die Einheimischen entstehen. Die Arbeiter schlafen quasi auf der Baustelle und sind natürlich sehr happy mal etwas Abwechslung mit Ausländern zu haben.
Sie schenken uns am nächsten Tag Fisch weil hier schaffe ich es nicht etwas mit der Harpune zu schießen. Dieser Teil der Lagune ist so dicht bewaldet, kein einziger kleiner Durchlass wo Wasser vom Ozean ins Innere kommt und somit mit Frischwasser gespült wird. Das Wasser ist trüb und ich kann kaum die Spitze der Harpune sehen, also unmöglich etwas zu schießen. Die Jungs hier fangen mit Netzen und haben genügend Fisch.
Wir hätten ihn besser nicht angenommen. Beim Ausnehmen fällt unbemerkt ein kleines Stück Fisch zwischen die Holzlatten der Badeplattform und verkeilt sich dort. Am nächsten Morgen haben wir eine Fliegenplage an Bord. Hunderte Fliegen machen uns das Leben zur Hölle. Ich werde zum Killer. Am Nachmittag töte ich eigenhändig 197 Stück – danach habe ich zu Zählen aufgehört. Also der Typ mit seinen „7 auf einen Streich“ kann sich brausen gehen.

Bis bald
Euer Chico