12 Knoten Wind aus 110 Grad also Ost-Süd-Ost , nur etwa 1 Meter Welle, perfekte Bedingungen für unseren Kurs nach Takaroa. Immer wieder stelle ich fest dass segeln so viel einfacher sein kann als noch vor langer Zeit, damals in Kroatien, als wir bei jedem Wind und Wetter raus sind, genau dorthin wo wir uns am Vorabend ausgedacht hatten dass es eine schöne Kneipe gibt. Egal welche Bedingungen herrschten wurde das jeweilige Charterboot dorthin geknüppelt. Wenn es nicht sein muss, segle ich jetzt nur mehr wenn das Wetter passt und der Genuss ist um ein vielfaches höher. Vergleichbar mit Tiefschneefahren bei perfektem, unverspurten Schnee oder eine wilde, eisige Buckelpiste runter, an deren Ende alle Glieder und Muskeln schmerzen.
Kurz nach der Hälfte des Weges, 2 Minuten nach dem ich meine Mitternachtswache begonnen habe, ein schrilles Pfeifen vom Autopiloten. Er will nicht mehr. Das heißt also die restliche Strecke muss von Hand gesteuert werden. Auf Grund der nahezu perfekten Wetterbedingungen nicht allzu schlimm, man kann halt nicht mehr so einfach aufs Häusl, oder was zum Essen machen oder andere essentielle Dinge tun.
Ich kann den kleinen Ankerplatz neben der Passeinfahrt nicht finden, also heißt es konzentrieren auf den Pass. Ich fahre nahe heran, es sieht nicht schlecht aus, keine allzu großen Wellen, keine Strömung die aussieht wie ein Wildbach aber sie ist doch sehr stark sichtbar. Besser noch eine Stunde gewartet und vor der Einfahrt auf und ab gesegelt, vielleicht beißt ja noch ein leckerer Thunfisch an. Dann sehe ich einen Einheimischen der mit einem kleinen Boot durch den Pass fährt. Meine Kalkulation mit 12:40 Uhr als Durchfahrtszeit scheint also ganz gut zu sein.
Der Pass hier gehört zum Extremsten was die Tuamotus zu bieten haben. 1 Seemeile lang und nur 75 Meter breit und am Ende ein 90 Grad Knick. Also Motor gestartet, Segel runter und rein geht’s. Erst wenn man drinnen ist sieht man die Bedingungen wie sie wirklich sind. Das Wasser jagt vorbei, kleine Wirbel und immer sind die rasiermesserscharfen Korallenwände die die Begrenzung der Durchfahrt bilden. Langsam geht’s voran, nur 2,6 Knoten schaffe ich bei der Gegenströmung. Am Ende dann die gelb-schwarze Markierung die den 90 Grad Knick anzeigt. Und hier steigt der Grund von 18 Meter Tiefe auf 3,4 Meter an. Die gesamten Wassermassen müssen über diesen flachen, engen Weg und beschleunigen hier auf bis zu 9,5 Knoten. Zusätzlich bilden sich auf diesem flachen Teilstück 3 starke Wirbel. Der Motor läuft auf Vollgas und ich versuche den ersten Wirbel ganz außen, knapp an der Riffkante zu nehmen. Das geht gut, er dreht mich nur um 30 Grad nach innen, schon bin ich vorbei, leider haargenau (bixmitten) vor dem zweiten Wirbel. Und hier gibt es kein Entrinnen. Die Pinne festgehalten und hinein. Das Boot wird auf die Seite gedrückt wie ein Spielball, zum Glück zur Mitte, dann um 60-70 Grad nach außen gedreht und ich sehe uns schon auf den Korallen sitzen. Im wahrlich allerletzten Moment kann der Motor genügend Schub aufs Wasser übertragen um uns nur um Millimeter an den Korallenfelsen vorbei zu bringen. Ein Auge gleitet schnell über den Speedometer der nur mehr 0,9 Knoten anzeigt, ich stehe also fast bei Vollgas oder anders gesagt mindestens 5 Knoten Gegenströmung. Mit jedem Meter den ich vorwärts komme wird sie schwächer und dann wird es still. Das Tosen des Wassers hat sich beruhigt, wir sind in der Lagune. Die Segel werden wieder gesetzt und 2 Stunden später fällt der Anker auf 6 Meter Tiefe ins kristallklare Wasser.
Es ist nicht leicht für Adrenalin Junkies heutzutage etwas zu finden wo man noch Pionier sein kann. Etwas das keiner gemacht hat, einen neuen Pfad. Wir alle bewundern und sind eifersüchtig auf die Befriedigung die sie in diesem Momenten empfinden. Nun stellt euch meine Gefühle vor als ich im Nachhinein von einem der Locals erfahre, dass ich der Erste, der Pionier in diesem Atoll bin.
Es gibt hier keinen Tourismus. Die Einheimischen leben entweder von Kopra (getrocknete Kokosnüsse die hauptsächlich in der kosmetischen Industrie Verwendung finden), vom Fischfang, oder was auch sehr populär ist, einfach nichts zu tun.
Am nächsten Tag kommt Besuch. Ein knallrotes Kanu nähert sich vorsichtig, Andi mit seinem 3 jährigen Sohn. In seinem einfachen Französisch erläutert er uns dass wir das erste Segelboot sind das sich durch den Pass getraut hat. Alle anderen ankern entweder außen vor dem Pass oder gehen an die kurze Betonpier am Anfang des Passes.. Ich kann es nicht glauben, doch am nächsten Tag bekommen wir sozusagen die offizielle Bestätigung. Ich treffe die Frau Bürgermeister, und sie hat ebenfalls noch nie ein Segelboot in der Lagune gesehen. Am Abend lädt sie uns zu einem Essen mit ihren Gemeindearbeitern ein. Am Nordende der Lagune, wo wir ankern, soll ein „Freizeitzentrum“ für die Einheimischen entstehen. Die Arbeiter schlafen quasi auf der Baustelle und sind natürlich sehr happy mal etwas Abwechslung mit Ausländern zu haben.
Sie schenken uns am nächsten Tag Fisch weil hier schaffe ich es nicht etwas mit der Harpune zu schießen. Dieser Teil der Lagune ist so dicht bewaldet, kein einziger kleiner Durchlass wo Wasser vom Ozean ins Innere kommt und somit mit Frischwasser gespült wird. Das Wasser ist trüb und ich kann kaum die Spitze der Harpune sehen, also unmöglich etwas zu schießen. Die Jungs hier fangen mit Netzen und haben genügend Fisch.
Wir hätten ihn besser nicht angenommen. Beim Ausnehmen fällt unbemerkt ein kleines Stück Fisch zwischen die Holzlatten der Badeplattform und verkeilt sich dort. Am nächsten Morgen haben wir eine Fliegenplage an Bord. Hunderte Fliegen machen uns das Leben zur Hölle. Ich werde zum Killer. Am Nachmittag töte ich eigenhändig 197 Stück – danach habe ich zu Zählen aufgehört. Also der Typ mit seinen „7 auf einen Streich“ kann sich brausen gehen.
Bis bald
Euer Chico