Samstag, 17. September 2011

Tahanea




Als erstes muss ich mich heute mal dringend bei meinen Lesern für die vielen Hinweise zum Problem Ciguatera bedanken. Ich werde jetzt auf alle Fälle versuchen irgendwie das Mittel Manitol aufzutreiben. Falls was passiert dann kann man wenigstens sofort eine Erstbehandlung machen bis man zum nächsten Krankenhaus kommt, was ja mitunter ein paar Tage dauern kann. Bevor ich an einem neuen Platz Fisch schieße frage ich jetzt immer die Einheimischen ob man hier Fisch essen kann und falls ja, welche Arten.

Das bringt mich dann auch sofort, anlässlich eines zum Glück gut ausgegangenen Zwischenfalls, zum nächsten Hilferuf. Auf der Fahrt von Raroia nach Tahanea überhole ich gerade meine Freunde von der YabYum und bin nur wenige Meter an deren Steuerbord Seite. Natürlich wird geblödelt, gefilmt und Fotos gemacht anstatt auf das Meer zu schauen. Was soll hier auch schon sein?? Auf einmal ein Riesen Schreck und nur 4-5 Meter an deren Backbordseite rauscht eine mehrere Meter hohe Wetterboje vorbei, oder besser gesagt wir rauschen an der Wetterboje vorbei. Meine Frage nun an euch, gibt es irgendwo ein Verzeichnis mit den Koordinaten der Wetterbojen weltweit, oder zumindest für den Pazifik? Leider sind die Dinger nicht in den Seekarten eingezeichnet und da drauf zu donnern ist bestimmt nicht lustig.

Von Raroia ging es also zunächst zum Tahanea Atoll wo ich die Zeit für die Einfahrt durch den Pass haargenau erwische. Wie geplant 1 Knoten mitlaufende Strömung gewährt eine sichere Durchfahrt. Am Südende des Atolls suchen wir uns eine passende Insel und verbringen schöne Tage mit Jagen und Tauchen. Wir bleiben nicht allzu lange, wir wollen weiter nach Fakarawa. Doch die Distanz von ca. 140 Seemeilen macht es leider notwendig um 03:00 in der Nacht Tahanea zu verlassen, damit die Ausfahrt möglich ist und auch die Einfahrtzeit für Fakarawa passt. Und um 03:00 in stockfinsterer Nacht durch den Pass zu segeln bedarf dann doch einiger Überwindung. Ich sitze am Nachmittag einige Stunden am Nordwestufer der Durchfahrt und beobachte die Strömungen und Wellenbildung im Fahrwasser, notiere mir geistig wo zuerst eine Änderung passiert, versuche mein timing vorauszuberechnen und mir alle Details der Durchfahrt einzuprägen. Wenn man drinnen ist und man hat sich vertan, dann hilft wahrscheinlich nur mehr Glück und sich darauf zu verlassen ist mir zu wenig.
Die Stunden am Ufer haben sich ausgezahlt, mit ganz leichter, fast unmerklicher Gegenströmung schleiche ich durch den Pass. Das linke Auge ist auf den Computer geheftet, das rechte Auge versucht das Ufer zu erkennen, zwecklos es ist zu finster ohne Mond und mit bedecktem Himmel. Ich versuche so genau wie irgend möglich am alten track der Einfahrt zu bleiben, ausgenommen 2 Stellen die ich wegen der Wellenbildung weiter südlich fahre.
Unterwegs geht es dann mit guter Fahrt voran. Der Wetterbericht hat 16 Knoten Wind versprochen, leichte Welle bringt angenehmen Schub und ich kann die Geschwindigkeit gut auf die Einfahrtzeit für den Fakarawa Südpass abstimmen. Die Windrichtung passt hervorragend und ich entscheide mich dafür einfach durch den Pass zu segeln.
Mit 4 Knoten geht es hinein und sofort beschleunigt das Schiff auf 6 Knoten, alles ist entspannt und leicht steuerbar, bis zur Tauchschule die sich mitten im Pass befindet. Dort ist dann ein schönes Riff mitten in der Durchfahrt, man muss also links abbiegen und gleichzeitig reduziert sich die Wassertiefe von ca. 25 Meter auf unter 3 Meter. Die ganze Wassermenge muss nun durch das eher seichte Wasser und dadurch erhöht sich die Strömungsgeschwindigkeit ganz enorm und bevor ich mich recht versehe habe ich 8,5 Knoten auf dem Tacho und das Riff genau vor mir. Um Haaresbreite ziehe ich in eleganter Linie daran vorbei. Das Adrenalin rinnt mir fast zu den Ohren raus. So schnell kann es gehen, jeder Pass hat seine eigenen kleinen Macken und man darf nur ja nie glauben man kennt sich aus. Auf die Änderung der Wassertiefe und die damit verbundene Zunahme der Strömung habe ich nicht geachtet. Als am Abend ein anderes Seglerpaar, das während meiner Durchfahrt gerade in der Tauchschule war vorbeikommt und zu mir sagt „it looked so cool when you where rushing through the entrance today, with full sails up“ war mein Kommentar dazu nur „i think it was more like being stupid“.

Unsere Boote ankern auf 4 Meter Tiefe im türkisgrünen (oder heißt es türkisblauen?) Wasser, ok ich schreibe also im türkisfarbenen Wasser. Es schmerzt fast in den Augen so schön ist es hier und ohne Sonnenbrille ist es nicht auszuhalten. Der erste Weg am nächsten Tag – Insel erforschen, wie üblich.
Das Wasser zwischen den Inseln ist so seicht dass man von einer Insel zur nächsten waten kann. Und auf einer sehr kleinen, keine hundert Meter im Durchmesser messenden Insel, verschlägt es uns dann doch die Sprache. Unter einem Gebüsch finden wir einen kompletten Totenkopf, den Unterkiefer eines zweiten Menschenschädels und etwa ein Drittel der restlichen Gebeine eines Menschen. So ein Fund ist natürlich ein Paradies für Spekulationen, Theorien werden aufgestellt, wieder verworfen, letztlich bleibt dann doch die Frage – soll man den Fund den Behörden melden?? Nun wir entscheiden uns dagegen, erstens sind das keine neuen Knochen, zweitens sind wir nicht die Ersten die auf der Insel waren, sondern zumindest wöchentlich kommen Segler oder Gäste der Tauchschule auf diese Insel, und schließlich kriegt man hauptsächlich eine Menge Ärger wenn man mit so was zur Behörde läuft. Aber wir bleiben dran und unsere Spione sind drauf angesetzt, ich werde wieder berichten sobald die Resultate der Recherchen vorhanden sind, versprochen.
Übrigens die Zeit des Kannibalismus ist hier auch noch nicht so lange her wie ich inzwischen erfahren habe.

In der Zwischenzeit macht es gut zu Hause
Euer Chico

4 Kommentare:

  1. Diesmal also wieder mit Bildern. Toll!
    Zur Info: nur das letzte der 4 Photos kann man vergrössern (das mit dem Kringel im Wasser).
    Mach mich jetzt auf Wetterbojensuche.

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  2. Noch'n Kommentar zum Fisch:
    A visitor to the Tuamotu archipelogo is concerned about the ciguatera poisoning, commonly found in fish caught in the lagoons. He approaches a villager:
    "If I catch a fish in the lagoon, how do I know if it's safe to eat?".
    The villager says: "I put a piece of the fish on the ground and look at the ants. If the ants go for the fish, it's good. If the ants don't touch it, it has ciguatera."
    "Wow, does that really work?", asks the visitor.
    "Well, sometimes it does. Sometimes it doesn't"
    HORST

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  3. Blog von Seglern im Tuamotu Atoll über
    Atollbewohner und deren Auffassung von Eigentum:

    Nothing much got stolen from us. While we were riding our rental bikes around the atoll, the kids around the harbour had decided to come onboard. The hatches were open and there was plenty to take; hand-held VHF, GPS, radio, cameras, binoculars, torches and so on. Fishing is more important than owning gadgets. You can't eat gadgets. While we were away, someone had opened our tackle box and removed half of the contents. The items were nicely divided so that we were left with some lures, some trace wire, some sinkers and swivels etc. We still had some fishing gear and so did they. Perfect!

    Über Ratten:
    After three days in a private marina, three other yachts arrived from a beach combing expedition from the other end of the atoll. "Up to you guys, but I would consider tying up Med-style", said Bart from Holland. "Every boat that has tied alongside here has had rats onboard", he continued while adjusting the rat-stoppers in his stern lines. Rats? Surely not. There's no garbage, the jetty is all concrete and we haven't seen any. My eternal optimism got a little dent when back onboard I noticed a few little pellets of rat droppings on deck. The enemy was already onboard.
    Horst

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  4. Hallo Chico,
    nun endlich ist das Internet etwas schneller und ich habe heute Abend in Deinem Blog gelesen.Schoen und interessant von Dir zu hoeren/lesen!!! Ich hoffe es geht Dir gut! Wir sind in Puerto Lindo, bauen an unserer Strasse und wollen in der naecheten Woche nach San Blas. Es hat sich also nicht so viel geaendert-aber es geht uns gut und wir geniessen es! Ich finde es aber fast unvorstellbar, dass Du vor Kurzem auch noch hier warstund nun hast Du schon einen grossen Teil der Suedsee durchqueert!
    Betr. Ciguatera und Manitol: ich habe nicht alle Kommentare gelesen. Ich hatte bis vor Kurzem immer eine Infusionsflasche Mannitol an Bord. Nun ist sie abgelaufen und ich habe sie nichtb ersetzt ,nicht nur weil es hier keine Ciguatera gibt, sondern auch, weil die Goettinger Giftzentrale mir in einem Beratungsgespraech sagte, dass die Wirkung zweifelhaft sei.Also drauf verlassen wuerde ich mich nicht unbedingt. wir wuenschen Dir eine gute Zeit, liebe Gruesse auch an heinz und Andrea von Katrin und Reinhart

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